Heilige und Selige

Jean EudesMaria Euphrasia PelletierMaria Droste zu VischeringMaría Agostina Rivas López (Aguchita)
Johannes Eudes wurde am 14. November 1601 in Ri (Normandie) geboren. Mit 14 Jahren trat er in das von Jesuiten geleitete Collége Royal du Mont in Caen ein. Er war ein guter Schüler, und bald zeigte sich auch seine außerordentliche rednerische Begabung. In den nächsten Jahren traf er die Ent­scheidung, Priester zu werden und begann mit dem Studium der Theologie. Er lernte die „Oratorianer“ kennen, die eine Nieder­lassung in Caen hatten, trat in den Orden ein und setzte sein Studium in Paris fort. 1625 empfing er die Priesterweihe. 1632 begann Jean Eudes seine Tätigkeit als Volksmissionar, die den größten Teil seines Lebens erfüllte. Angesichts von sozialem Elend, Hunger und Krankheit suchten viele Menschen Zuflucht und Hilfe bei der Kirche.
Jean Eudes bemerkt bald, dass es mit Predigten und guten Worten nicht getan war. Es mussten dauerhafte Hilfseinrichtungen geschaffen werden. Dies galt besonders für jene Mädchen und Frauen, die „in der Sünde“ lebten – also der Pro­stitution nachgingen. Die meisten von ihnen zwang nackte Armut zu dieser Art von Gelderwerb, und viele waren bereit, ihr Leben als Prostituierte aufzugeben, wenn sich ihnen nur eine Überlebenschance bot. Jean Eudes kam auf die Idee, diese sogenannten „Büßerinnen“ in privaten Häusern unter der Obhut „frommer Frauen“ unterzubringen. Er kaufte zusammen mit Freunden ein Haus in Caen, das 1641 eröffnet wurde und den programmatischen Namen „Zuflucht“ erhielt. Nach ersten Anlaufschwierigkeiten übernahmen drei Schwestern von der Heimsuchung Mariens die Leitung des Hauses. Die neue Gemeinschaft, der Jean Eudes den Namen „Unsere Frau von der Liebe“ gab, erlangte 1651 ihre kirchenrechtliche Anerkennung. Das Werk der Schwestern wurde bald über die Stadtgrenzen von Caen hinaus bekannt. Von vielen Seiten erreichten die Schwestern Bitten, weitere Häuser zu gründen. Jean Eudes beschäftigte sich jedoch nicht nur mit den sozialen Problemen seiner Zeit, sondern wandte sich immer wieder dem Thema der geistlichen Erneuerung der Laien und Kleriker zu. 1643 verließ er die Oratori­aner und gründete die Weltpriester­kongregation „von Jesus und Maria“ („Eudisten“), mit dem Ziel, in eigenen Seminaren eine gründliche Priesterausbildung zu ermöglichen. Jean Eudes gehört zu jenen in der katholischen Kirche, die frühzeitig die Notwendigkeit eines sozialen Engagements erkannten. Das Beispiel seines Einsatzes für Frauen und Mädchen, die von der Gesellschaft geächtet und an den Rand gedrängt wurden, zeigt, dass Jean Eudes in ihnen nicht nur „Sünderinnen“ sah, die bekehrt werden mussten, sondern Menschen, denen man durch tätige Hilfe den Weg zu einem besseren Leben überhaupt erst ermöglichen musste. Jean Eudes hatte nicht nur ein Herz für Gott, sondern auch ein Herz für die Welt. Er starb am 19. August 1680. Im Jahre 1925 wurde er von Papst Pius XI. heiliggesprochen.
Schwester Maria Euphrasia wurde am 31. Juli 1796 als Rosa Virginia Pelletier auf der kleinen französischen Insel Noirmoutier (Vendée) geboren.
Mit 14 Jahren kam sie in ein Mädchen-Pensionat in Tours. Hier lernte sie das Haus der Schwestern „Unserer Frau von der Liebe“ kennen, eine Ordensgemeinschaft, die sich besonders um Mädchen und Frauen kümmerte, die durch die sozialen Verhältnisse der Zeit in Not geraten waren. 1814 trat Rosa Pelletier in den Orden ein und erhielt den Namen Maria von der heiligen Euphrasia. Die ersten Jahre ihres Ordenslebens waren dem Apostolat bei Mädchen und Frauen gewidmet. Mit 29 Jahren wurde sie zur Oberin ernannten. Unter ihrer Leitung nahmen das Leben und das Apostolat der Gemeinschaft neuen Aufschwung. Auf Bitten des zuständigen Ortsbischofs gründete Schwester Maria Euphrasia 1829 ein Haus in Angers. Mit fünf Schwestern begann sie ihre Arbeit in den Räumen einer verfallenen Kattun-Fabrik und gab der neuen Niederlassung den Namen „Haus vom Guten Hirten“. Junge Frauen aus ganz Europa fühlten sich von ihrem Charisma angezogen und traten in die Gemeinschaft ein. In Angers erkannte Schwester Maria Euphrasia, daß die Häuser vom Guten Hirten nur durch enge Zusammenarbeit überleben würden. Sie erwog deshalb, die Häuser „Unserer Frau von der Liebe“ unter einem Generalat zu vereinen und so das Nebeneinander in ein Miteinander zu verwandeln. Nach vielen Schwierigkeiten wurde 1835 das Generalat bestätigt. Die neue Kongregation erhielt den Namen „Unsere Frau von der Liebe des Guten Hirten von Angers“.
Schwester Euphrasia wurde zur ersten Generaloberin gewählt. Ihr Wahlspruch lautete: „Unsere Liebe muß die ganze Welt umfassen.“ Die Kongregation entwickelte sich in der Tat weltweit. 1838 entstand das erste Haus in Rom, es folgten Namur und Mons in Belgien, München (1840) und Aachen (1848) in Deutschland, London, Glasgow und Bristol in England und schließlich Louisville im amerikanischen Bundesstaat Kentucky. 1864 zählte die Kongregation acht Provinzen, 92 Häuser, 1868 Schwestern und 349 Novizinnen.
Weil Maria Euphrasia erlebte, dass menschliche Fähigkeiten und Anstrengungen allein nicht ausreichten, den durch ihre Lebensgeschichte verletzten Frauen und Mädchen Heilung zu bringen, gründete sie einen kontemplativen Zweig innerhalb der Gemeinschaft. Die kontemplativen Schwestern vom Guten Hirten unterstützen durch ihr Gebet und ihr zurückgezogenes Leben die Bemühungen der Schwestern, die im direkten Apostolat stehen.

Schwester Maria Euphrasia starb am 24. April 1868 in Angers. 1933 wurde sie seliggesprochen, ihre Heiligsprechung durch Papst Pius XII. erfolgte am 2. Mai 1940.
Maria Droste zu Vischering wurde am 8. September 1863 im Erbdrostenhof zu Münster geboren. Ihre Jugend verbrachte sie auf Schloß Darfeld. Nach Internatsjahren in Riedenburg am Bodensee trat sie 1888 in das Kloster der Schwestern vom Guten Hirten ein. Sie erhielt den Ordensnamen Schwester Maria vom Göttlichen Herzen. Bei ihrer Arbeit im Mädchenheim des Hauses lernte sie die Schattenseiten der rasanten Industrialisierung im gerade gegründeten Deutschen Reich kennen: Tausende von jungen Mädchen und Frauen wurden in die Armut, in die Prostitution gedrängt. Die Schwestern vom Guten Hirten gehörten zu den wenigen, die sich um ihr Schicksal kümmerten.
Schwester Maria Droste zu Vischering übernahm 1891 nach der Ewigen Profeß die Leitung einer Klasse (Wohngruppe) von jungen Mädchen. 1894 wurde sie Oberin des Klosters vom Guten Hirten in Porto (Portugal) berufen. Das Haus vom Guten Hirten in Porto beherbergte über 100 junge Mädchen, die meisten aus armen Familien, aufgelesen auf der Straße, beim Diebstahl ertappt oder bei der Prostitution. Schwester Maria weiß ihre Herkunft aus einer angesehenen west­fälischen Adelsfamilie zu nutzen. Sie rückt Bürokraten und Amtsstubenleitern auf die Pelle, schreibt Bettelbriefe an reiche Fabrikbesitzer, sucht persönlich nach Lehrstellen, nach Pflegefamilien, redet Priestern und Bischöfen ins Gewissen. Was die Mädchen brauchen, die sich in der Obhut der Schwestern befinden, ist nicht nur materielle Hilfe. Die seelischen Verletzungen und Verwundungen sind es, die ebenso der Heilung bedürfen. Den ganzen Menschen heilen, ihm seine Würde, seine Einzigartigkeit bewußt machen, darum bemühen sich die Schwestern vom Guten Hirten – damals wie heute. Maria Droste zu Vischering war ein Mensch, der Herzen aufschließen konnte. Die Mädchen hatten tiefes Vertrauen zu ihr – in hellen wie in dunklen Stunden. Krankheit und Tod waren häufige Gäste im Kloster zu Porto. Viele Mädchen, die der Obhut der Schwester übergeben wurden, kamen mit Tuberkulose und Geschlechtskrankheiten oder waren ganz einfach unterernährt. Schwester Maria selbst litt unter einer schweren Rückenmarks­erkrankung, die sie an Krücken zwang. Sie starb am 8. Juni 1899 im Alter von 35 Jahren. Am 1. November 1975 wurde sie von Papst Paul VI. in Rom seliggesprochen.





„In te Domine speravi“
Ein 20-minütiger Film über Maria Droste zu Vischering
(Bild anklicken).
Schwester María Agostina Rivas López, genannt „Aguchita“, wurde am 13. Juni 1920 in Coracora, Peru geboren. Bei ihrem Studium in der Hauptstadt Lima lernte sie die Schwestern vom Guten Hirten kennen. Schnell lernte sie die Spiritualität und die Arbeit der Kongregation kennen und trat der Gemeinschaft 1941 ein. Von ihren Mitschwestern wurde sie schnelle „Aguchita“, die „kleine Agustina“, genannt. Nachdem sie sich in Lima viele Jahre als Krankenschwester, Köchin und Erzieherin für Frauen und Mädchen in Not eingesetzt hatte, sendete ihre Gemeinschaft Aguchita im Jahr 1988 in die kleine Ortschaft La Florida.
In der Gegend hatte sich zuvor die Guerillaorganisation Sendero Luminoso (Leuchtender Pfad) ausgebreitet. Von den ansässigen Indigenen vom Volk der Asháninka wurden Aguchita und ihre kleine Missionsstation mit wachsender Begeisterung aufgenommen. Mit zunehmender Bildung, Katechese und einer Verbesserung der Landwirtschaft kehrten die Dorfbewohner den Guerillas jedoch den Rücken. Ihre Lebensqualität hatte sich durch das Engagement von Schwester Aguchita entscheidend gebessert. Trotz der Gefahr, die von den marxistisch-leninistischen Terroristen des Sendero Luminoso ausging, wollte Schwester Aguchita das Dorf La Florida nicht verlassen. Sie wollte ihre Herde nicht im Stich lassen.
Am 27. September 1990 überfielen die Guerillas schließlich das Dorf. Sie ließen alle Bewohner auf dem Dorfplatz zusammenrufen und stellten sie mit vorgehaltener Waffe zur Rede. Die Initiative von Schwester Aguchita halte die Einwohner von La Florida davon ab, sich am bewaffneten Aufstand zu beteiligen. Augenzeugen zufolge beleidigten sie die Ordensfrau mit religiösen Schmähungen, bevor sie sie vor den Augen der Dorfbewohner hinrichteten. Mit ihr zusammen starben fünf weitere Dorfbewohner.
„Diese heldenhafte Missionarin blieb, obwohl sie wusste, dass sie ihr Leben riskierte, immer in der Nähe der Armen,“ würdigte Papst Franziskus Schwester Aguchita. Sie “ insbesondere der indigenen Bäuerinnen, und „gab so Zeugnis für das Evangelium der Gerechtigkeit und des Friedens. Möge ihr Beispiel in allen den Wunsch wecken, Christus mutig und treu zu dienen.“ Ihr Einsatz für die Indigenen und ihr gewaltsamer Tod macht sie zu einer Märtyrerin der katholischen Kirche.
Am 7. Mai 2022 wurde Schwester María Agostina Rivas López in La Florida seliggesprochen.

Mehr zur Seligsprechung von Sr. Aguchita: Schwester Aguchita in Peru seliggesprochen

Zum Artikel: „Heldenhafte Missionarin“: Die letzten Stunden von Schwester Aguchita

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